Stefan Bauer hat es vorgemacht. Er hat die Ausbildung für Fachkräfte im Fahrbetrieb bei der VAG nicht nur selbst durchlaufen, sondern leitet sie inzwischen sogar. Damit der VAG künftig das Personal hinterm Steuer nicht ausgeht, wie es bei privaten Anbietern derzeit der Fall ist, möchte sie verstärkt in die eigene Ausbildung investieren. © Michael Matejka
Nürnberg – Jede Fahrt, die ausfällt, ist eine zu viel. Dieser Tatsache ist sich der VAG-Vorstandsvorsitzende Josef Hasler vollauf bewusst. Dennoch sieht sich die VAG – und damit ihre Kundschaft – seit zwei Wochen damit konfrontiert, dass etwa 1,5 bis 1,7 Prozent aller Busfahrten im Nürnberger Stadtgebiet ausfallen.
„Der Fachkräftemarkt ist abgegrast“, beklagt Hasler. Während der Nürnberger Verkehrsbetrieb noch ausreichend Mitarbeiter im Fahrdienst zur Verfügung hat, tun sich die von der VAG beauftragten Subunternehmen schwer, genügend Personal zu finden. Die VAG vergibt Aufträge an private Verkehrsunternehmen, um eine größere Flexibilität zu erreichen. Eine Hälfte von ihnen stellt ausschließlich Fahrer, die sich in VAG-Bussen ans Steuer setzen, die andere liefert mit Fahrern und Bussen das Komplettpaket.
Derzeit sind 180 Busse der VAG im Stadtgebiet unterwegs, hinzu kommen 35 von Drittunternehmen. Bei 5000 Fahrten pro Tag beläuft sich die Zahl der abgespulten Kilometer auf rund zwölf Millionen im Jahr. 30 Prozent davon werden von privaten Anbietern zurückgelegt.
„Neue Busfahrer sind schwierig zu finden“, sagt Tim Dahlmann-Resing, der im VAG-Vorstand für Technik und Marketing zuständig ist. Zwar hat die VAG die Probleme laut Josef Hasler kommen sehen und längst reagiert – erst Anfang des Jahres wurden 100 neue Stellen für Busfahrer beschlossen. Dass die Entwicklung bei privaten Verkehrsunternehmen allerdings so rasant voranschreitet, sei nicht abzusehen gewesen.
Die privaten Anbieter sind derzeit nicht in der Lage, ihre vereinbarten Leistungen zu erbringen. Das hat Gründe: Die kommunalen Anbieter zahlen in der Regel mehr als die privaten. Nicht selten wandern Busfahrer inzwischen aber auch Richtung Fernbus- und Logistikbranche ab.
Gestern mussten Fahrgäste unter anderem in Zerzabelshof und der Südstadt Geduld aufbringen. Auf den Buslinien 43, 47, 55 und 57 fielen laut Dahlmann-Resing 44 Fahrten aus, fünf wurden mit Taxis ersetzt. Ein Blick in die VAG-App kann dieser Tage nicht schaden, um den Überblick zu behalten.
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Kurzfristig reagiert die VAG auf die Engpässe, indem sie Personal aus der Verwaltung rekrutiert, das einen Busführerschein hat. Außerdem hat sie neue Ausschreibungen veröffentlicht. Mittelfristig möchte sie zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Zum einen, weil zahlreiche Angestellte in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Rente gehen, zum anderen aber auch, weil der öffentliche Personen- und Nahverkehr politisch an Bedeutung gewinnt und das Angebot ausgeweitet werden soll.
Langfristig, erklärt Hasler, gehe es darum, Busfahrer verstärkt selbst auszubilden. Drei Monate dauert es vom ersten Training im Simulator bis zum Einsatz auf der Straße. Spätestens im Januar soll ein Kurs angeboten werden, damit ab April 2020 neue Kräfte einsatzbereit sind. In einem halben bis dreiviertel Jahr, hofft Hasler, soll das Dilemma behoben sein.
Während die Branche Kräfte in Ost- und Südeuropa sucht, diskutiert die VAG auch neue Schichtmodelle, um den Job attraktiver zu gestalten. Branchenfremden soll der Busführerschein gezahlt werden. Vorbei die Zeiten, als Mitarbeiter ihn selbst mitbrachten, Stichwort Bundeswehr.
Die Personalsituation ist freilich nicht nur in Nürnberg angespannt. Die Verantwortlichen der infra Fürth machen keinen Hehl daraus, dass auch in der Kleeblattstadt händeringend Busfahrer gesucht werden.
In Erlangen hatten sich Anfang Oktober gleich 15 Busfahrer krankgemeldet. Ihr Ausfall war aber nicht das einzige Problem, wie die Erlanger Stadtwerke (ESTW) in einer Pressemitteilung erklärten: „Aktuell ist es leider so, dass die ESTW trotz einer Bezahlung nach Tarifvertrag und zusätzlichen Sozialleistungen ihren Bedarf an Busfahrerinnen und Busfahrern gerade eben decken können.“ Das Interesse an diesem Beruf gehe stark zurück. Auch Unternehmen, die im Auftrag der ESTW unterwegs sind, können Leistungen teilweise nicht mehr erbringen und geben sie zurück.
Ein zusätzliches Problem stellt die EU-Verordnung 1370/2007 dar. Sie hat zur Folge, dass Verkehrsbetriebe künftig nur noch das eigene Stadtgebiet bedienen dürfen. So müssen auch die ESTW den Stadtbus-Verkehr ab 3. Dezember in Eigenregie durchführen. Dafür brauchen sie eine eigene Leitstelle samt Disposition, Fahr- und Dienstplanung. Bislang war die Nürnberger VAG auch in Erlangen und Fürth mit Bussen vertreten.
Die Fahrgäste, betont VAG-Vorstandsvorsitzender Hasler, sollten von den Umstellungen, die seit eineinhalb Jahren geplant werden, allerdings nicht beeinträchtigt werden.
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